Nachhaltigkeit wird im Alltag nur selten mit sozialer Gerechtigkeit assoziiert. Dabei spielt soziale Gerechtigkeit in vielen der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) eine wichtige Rolle – sei es implizit, wie etwa beim Zugang zu einer adäquaten Gesundheitsversorgung (SDG 3) und hochwertiger Bildung (SDG 4), sei es explizit, wie beispielsweise bei der Reduktion von Ungleichheiten (SDG 10), dem Hinwirken auf Geschlechtergleichheit (SDG 5) oder dem Beenden von Armut (SDG 1). Auch für Hochschulen ist soziale Gerechtigkeit als Querschnittsthema in allen Handlungsfeldern (Lehre, Forschung, Transfer, Betrieb und Governance) relevant. Es gibt vielfältige – und teils lang etablierte – Maßnahmen, die darauf hinwirken, Chancengerechtigkeit und Teilhabe im Hochschulalltag zu ermöglichen und die Fürsorgeverantwortung der Hochschulen als Arbeitgeber wahrzunehmen. Mentoringprogramme für internationale Studierende, Angebote des hochschulischen Gesundheitsmanagements, partizipative Lehr-/Lern-Formate oder der Einsatz für gute Arbeitsbedingungen werden jedoch nicht immer mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht und unter diesem Schlagwort nach innen und außen kommuniziert.
Angesichts eines gesellschaftlichen und politischen Klimas, in dem der Wert von Vielfalt, Chancengleichheit und Diskriminierungsfreiheit von populistischen Kräften zunehmend attackiert wird, ist das Engagement von Hochschulen zur Förderung sozialer Gerechtigkeit umso dringender – und zwar nicht nur als Bekenntnis nach außen, sondern auch als gelebte Praxis nach innen. Nicht zuletzt liegen Bemühungen um diskriminierungsfreie Studien- und Arbeitsumgebungen angesichts eines zunehmenden Fachkräftemangels und damit zusammenhängenden Fragen nach der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit auch im Eigeninteresse von Hochschulen.
Als wissenschaftliche Einrichtungen sind Hochschulen auf Vielfalt, Austausch und freie Entfaltungsmöglichkeiten angewiesen. Soziale Gerechtigkeit ist insofern integraler Bestandteil von hochschulischer Nachhaltigkeit. Dies wird auch in den Leitbildern der beiden Jenaer Hochschulen anerkannt. So setzt sich die Ernst-Abbe-Hochschule gemäß ihrem LeitbildExterner Link „aktiv für den Abbau von Chancenungleichheiten und Teilhabeerschwernissen“ ein, möchte „anti-demokratischen und diskriminierenden Bestrebungen“ entgegentreten und sieht dabei „Nachhaltigkeit in Verantwortung für kommende Generationen“ als eines ihrer grundlegenden Prinzipien. Die Friedrich-Schiller-Universität schließt in ihrem Leitbild „jegliche Form von Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen“ aus, strebt eine „Würdigung von umfassender Inklusion und Diversität“ an und will sich den Herausforderungen „der sozialen, ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit“ stellen. Soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit werden also von beiden Hochschulen als relevant und unterstützungswürdig erachtet. Dennoch bleibt zu fragen, wie sich diese bislang eher separat diskutierten Aspekte stärker zusammendenken und im alltäglichen Hochschulleben zusammen umsetzen lassen.
Das im Rahmen von Nucleus Jena organisierte „Sustainable Campus Café“ widmet sich dem Themenkomplex Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit am Beispiel des Campuslebens der Friedrich-Schiller-Universität und der Ernst-Abbe-Hochschule. In der Veranstaltung sollen Studierende sowie Mitarbeitende aus Wissenschaft, Verwaltung und Technik ihre jeweilige Expertise einbringen, um konkrete Veränderungs- und Verbesserungspotenziale an den beiden Einrichtungen zu identifizieren und gemeinsam Lösungswege ausfindig zu machen. Mögliche Themenbereiche und Fragen können sein:
Benachteiligung bei Hochschulzugang, Studium und Mitarbeit
- Welche Rolle spielen Diskriminierungs-Dimensionen wie Klassismus, Rassismus, Sexismus, Ableismus, Ageism usw. beim Eintritt in die Hochschulen (als Studierende*r, Mitarbeiter*in, Professor*in)?
- Welche Maßnahmen können dabei helfen, Diskriminierung während des Studiums bzw. der Tätigkeit an den Hochschulen zu verringern?
Möglichkeiten der Beteiligung und Mitbestimmung
- Wen sprechen die bestehenden Beteiligungsstrukturen besonders an und wen schließen sie (aus welchen Gründen) aus?
- Wie werden Beteiligungsmöglichkeiten kommuniziert und wie werden die Hochschulangehörigen dabei unterstützt, sich einzubringen?
- Wie wird Beteiligung jenseits der formalen Strukturen gelebt? Was kann getan werden, um eine demokratische Hochschulkultur zu unterstützen?
Soziale Gerechtigkeit als Inhalt von Studium, Aus- und Weiterbildung
- In welchen Studienangeboten werden Fragen sozialer Gerechtigkeit thematisiert und wie können Lehrende dabei unterstützt werden, diese Themen zu integrieren?
- Wie lässt sich soziale Gerechtigkeit in Aus- und Weiterbildungsangeboten für Mitarbeitende thematisieren
- Welche Widerstände gegen eine diskriminierungssensible(re) Hochschule gibt es und wie kann diesen begegnet werden?
Sozialer Hand- und Fußabdruck der Hochschulen
- Welche Kriterien haben die Hochschulen in Bezug auf soziale Gerechtigkeit bei Beschaffung, Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern usw.? Welche Handlungsspielräume bestehen?
- Wie können Mitarbeitende mit Personalverantwortung dabei unterstützt werden, Aspekte sozialer Gerechtigkeit im Arbeitsalltag besser umzusetzen (z. B. Führungskultur, Personalauswahl, Schaffung guter Arbeitsbedingungen)?
- Wo können die Hochschulen Vorbild sozial gerechten Handelns sein und wie kommunizieren sie ihre entsprechenden Werte?
Als betont offenes Format ist das Sustainable Campus Café selbstverständlich für weitere Fragen des Themenbereichs Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit offen. Die Veranstaltung soll als Begegnungs- und Vernetzungsraum dienen, aus dem heraus konkrete Projektideen entstehen, die dann in kleinen Teams weiterverfolgt werden. Besonders erwünscht ist die Verknüpfung mit Lehrprojekten, sodass Studierende das Engagement für ihre Hochschule mit konkreten Studienzielen verbinden können.
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